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Die a bisserl anderen Löwen hier im Isarwinkel

Es war einmal ein kleiner Schmetterling. Er flog am liebsten von Löwenzahn zu Löwenzahn. Bis dann meist früh morgens so brüllende, große Tiere kamen und einfach die ganzen Löwenzähner auffraßen. Sie waren überall. Und manchmal brüllten sie einfach wild los. Ohne Vorwarnung.
Seine kleinen, zarten Flügelchen zitterten dann.


Einmal war er so beschwingt und unachtsam, dass er sogar den warmen Atem des Luftzugs einer dieser brüllenden Geschöpfe spürte. Ihm wurde Angst und Bange. Er konnte gerade noch weg flattern, bevor das   R I E S I G E   Tier das Flotzmaul öffnete und seine lange, hellrote Zunge um den Stiel des Löwenzahns schlang und schwub, waren alle Blumen und Gräser in seiner nexten Nähe im Maul – für ihn mußte das Tier ein Löwe sein – verschwunden. Nur einige Samen, die den Luftzug nutzten und davon flogen, schwirrten ganz unverhofft mit ihm über die Wiese.
Erstaunlich war, dass der Atem dieser Löwen Stoffe enthielt, der die Abrissstelle der Gräser umhüllte und sich diese wie durch ein Wunder – immerhin wurde ihnen der Kopf abgebissen –  im Nu wieder weiterwachsen konnten.
Jetzt mit dem Schock in allen kleinen Äderchen flog er ganz schnell zu seinem Daheim. Doch in der Aufregung fand er nicht mal mehr seine kleinen Geschwister und er dachte an seine Mama. Sie war auch groß, fast riesig und wunderschön. Er erinnerte sich an ihre Worte: „Angriff ist die beste Verteidigung und kleiner, lieber Schmetterling. Mein Kind. Wenn du aufgibst, hast Du verloren. Aber wenn Du kämpfst, kannst Du gewinnen!“


Das kleine Schmetterlingchen flog was seine Flügel hergaben. Die Luftverwirbelungen waren enorm, er konnte nicht mal mehr sehen, wo oben ist - der Himmel - und wo unten war – die Erde. Also nahm er die goldene Mitte und konnte gerade noch nach einer eleganten Drehung, einem Salto rückwärts und der nicht mehr enden wollenden Schraube – es fühlte sich an wie sich ein Wirbelsturm anfühlen muss – mit seinen 8 Beinchen irgendwie Füßchen fassen. Er tauchte in ein weiches, braunes, staubiges, warmes – ja, es war wie feine Haare – Etwas ein. Und als seine Augen wieder auf scharf gestellt waren, sah er sich reitend auf – oh je – einem dieser LÖWEN.
Die Post ging ab. Doch mit der Zeit merkte der kleine Held, dass er in Sicherheit war. Er krallte sich fest, damit erst mal alles zumindest für die nexten Sekunden so blieb, wie es jetzt war. Mit dem Lauf der Zeit gewann er immer mehr an Weitblick und als sich seine Aufregung langsam aber sicher in Neugierde verwandelte, beschloss er kurz um:


Hier bleib´ ich.
Da bin ich sicher.


Er sah viele, kleine andere Tiere. Schmetterlinge, Verwandte, wie die Fliegen, Bremsen und alles was bei uns auf so einer gesunden Wiese kreucht und fleucht.


Die Zeit verging wie im Flug und auf einmal kam ein Mensch. Dieser ließ einen Pfiff los, so dass er froh war, auf dem Rücken dieses Löwen zu reiten. Denn der Mensch erschien ihm so eher unwichtig. Es war allerdings ein Guter. Diese soll es ja auch geben. Der Löwe bewegte seine Ohren, schaute was sein Rudel machte und dann gingen sie alle in Richtung zu dem Menschen. In Reih und Glied marschierte das ganze Rudel zu einem Haus, das nicht weit weg war.
Bis der Schmetterling bemerkte, dass ihn der große Löwe IN das Haus hinein trug. Die Stimmung war anders, als im Freien, aber es schien alles in Ordnung zu sein. Doch auf einmal fingen einige aus dem Rudel wie wild zu brüllen an. Fuck, was ist jetzt schon wieder los?!? Hin und her ging das Gebrüll und es gab auf einmal Zwischenrufe – von kleinen Babylöwen. Sie gaben Antwort und unterhielten sich prächtig mit den Mama´s. Die Menschen waren alle ganz still. Oder zumindest hörte man sie nicht mehr. Denn die Begrüßungsorgie war phänomenal.
Ur echt. Zum Himmel schreiend.
„Ich halte mich jetzt einfach mal ganz still und unauffällig, dann passiert mir sicher nix.“, dachte der kleine Schmetterling, denn er hatte für heute schon genug Ereigniskarten gezogen. Es dauerte eine Weile und er konnte nicht erkennen, was nun hier so alles vor sich ging. Doch nach geraumer Zeit hörte er freudige Erwartung in der neu aufgefachten Stimme einiger Löwen.

Und dann kamen sie: Die kleinen Babylöwen und laabten sich an der Mutterbrust.

Sie nahmen nicht nur Nahrung auf. Nein, sie spürten ihre Mutter, wurden erzogen, wenn sie frech waren und im Übermut zubissen. Dann war hier gleich Ruhe im Gebirge. Keiner möchte von einem Schlag der Haxen der Löwenmama´s an der falschen Stelle getroffen werden. Die Mahlzeit war eher gleich vorbei. Und jetzt wurde geschmust. Die kleinen Löwen bekamen eine Massage am ganzen Körper. Der kleine Schmetterling konnte wirklich sehen, wie diese großen Säugetiere gestillt wurden, mit Hingabe, wie es nur Mütter machen können. Und dann waren alle Beteiligten aufgetankt mit Zufriedenheit und Stärke, Gesundheit und Liebe, Ermahnung und Folge, so wie die Natur das eingerichtet hat.
Jetzt sehnte sich der kleine Schmetterling auch nach seiner Muttl. Er flog ohne nachzudenken fort von diesem Ort. Auf der Suche nach dem kurz verlorenem Glück.

Aber er hatte nicht nur kurz sein Glück verloren, anstatt dessen war er mutig, erwachsen und heilfroh, dass er jetzt wusste, dass diese brüllenden, blumenfressenden Löwen für ihn nicht gefährlich waren.
In dieser einen nexten Nacht flüsterte ihm der Mond, dass diese Löwen eigentlich Rinder waren und hier beim Herrnbauern z´ Muihboch ihr Leben verbringen können. Weil sie ihr Leben anscheinend dieses mal so genießen dürfen.

Am nexten Morgen beschloss er, auch hier groß zu werden und seine Puppenkinder im Isarwinkel zu verstecken.
Denn das Leben ist wie ein Spiel. Ein großes Puppentheater.
Wir ernten darin, was wir säen.


Stephanie Bichlmair